Ärzteverband fordert neue Gebührenordnung: Lauterbachs Gesundheitspolitik in der Kritik
Die IG Med, ein kleiner, aber engagierter Interessenverband für Heilberufe in Deutschland, hat jüngst die Gesundheitspolitik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach scharf kritisiert. Insbesondere die seit 1996 unverändert gültige ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) steht dabei im Fokus. Diese Regelung, nach der Ärzte ihre Leistungen abrechnen, wird als veraltet und unzureichend für die heutigen Herausforderungen angesehen.
Steigende Kosten und stagnierende Vergütungen
Die IG Med, die rund 900 Mitglieder vertritt, darunter Haus-, Fach- und Zahnärzte sowie Psychotherapeuten, Tierärzte und Apotheker, sieht die Gesundheitspolitik von Lauterbach als problematisch an. Dr. Steffen Grüner, Allgemeinarzt und zweiter Vorsitzender der IG Med, äußerte auf einer Pressekonferenz am 11. September 2024 in Berlin, dass viele der aktuellen Gesetzesinitiativen des Ministers mehr Schaden als Nutzen bringen würden.
Gesundheitskioske und Gemeindeschwestern
Besonders kritisch sieht der Verband die Idee der Gesundheitskioske und Gemeindeschwestern. Diese Projekte, die mit viel Geld gefördert werden sollen, seien laut Dr. Grüner ineffektiv und würden das bestehende System zusätzlich belasten. Das Konzept, das im August 2022 vorgestellt wurde, sieht den Aufbau von 1.000 Gesundheitskiosken vor, die in unterversorgten Regionen Gesundheitsberatung anbieten sollen. Doch schon jetzt herrscht ein erheblicher Personalmangel in den bestehenden Praxen und Kliniken.
Kipppunkt erreicht
Die Vorsitzende des Verbandes, Dr. Ilka Enger, sprach von einem Kipppunkt, den das Gesundheitssystem erreicht habe. „Wer ein Dreivierteljahr auf einen Termin beim Facharzt warten muss, keinen Hausarzt oder Kinderarzt findet und im Krankenhaus mehrere Stunden in der Notaufnahme verbringen muss, weiß, dass das System an der Dehnungsfuge angekommen ist und langsam anfängt zu reißen“, so Dr. Enger.
Bewährte Versorgungsstrukturen erhalten
Die IG Med fordert, dass bewährte Strukturen der Grund- und Regelversorgung erhalten bleiben und nicht zu großen „Superzentren“ zusammengefasst werden. Dr. Grüner betonte, dass die Lage der niedergelassenen Ärzteschaft nicht gut sei. Die gültige GOÄ von 1982 und 1996 sei nicht mehr dazu geeignet, das Angebot und die Nachfrage in einer Praxis optimal zu gestalten.
Ökonomische Perspektive
Der Gesundheitsökonom Prof. Günter Neubauer aus München, der ein Gutachten für die IG Med erstellt hat, erläuterte auf der Pressekonferenz, dass die GOÄ in ihrer aktuellen Form ein erstarrter Rahmen sei. Steigende Kosten bei stagnierender Vergütung könnten dazu führen, dass immer mehr Ärzte aus dem GOÄ-System aussteigen und ihre Praxen aufgeben. Neubauer plädierte für die Einführung eines harmonisierten Gesundheitspreisindexes, der die durchschnittliche Kostenentwicklung berücksichtigt und als Basis für die Vergütungsverhandlungen dient.
Fazit
Die Kritik der IG Med an der Gesundheitspolitik von Karl Lauterbach verdeutlicht die dringende Notwendigkeit einer Reform der ärztlichen Gebührenordnung. Ohne eine Anpassung an die heutigen ökonomischen Realitäten droht dem deutschen Gesundheitssystem ein Kollaps, der vor allem die Patienten hart treffen würde. Es bleibt abzuwarten, ob die Politik auf diese Warnungen reagiert und entsprechende Maßnahmen ergreift.