Automatische elektronische Patientenakte – Ein Quantensprung oder ein Risiko?
Ab Januar 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland automatisch eingeführt werden. Diese Maßnahme, die als Opt-out-Verfahren bekannt ist, bedeutet, dass alle Versicherten eine ePA erhalten, es sei denn, sie widersprechen aktiv. Doch was auf den ersten Blick wie eine Erleichterung im Gesundheitswesen erscheint, birgt auch erhebliche Risiken und Bedenken.
Die Vorteile der elektronischen Patientenakte
Die elektronische Patientenakte soll zahlreiche Vorteile bieten. So sollen Ärzte und Krankenhäuser jederzeit Zugriff auf die vollständige Krankengeschichte eines Patienten haben, was schnellere Diagnosen und Behandlungen ermöglicht. Besonders in Notfällen kann dies lebensrettend sein, da alle relevanten Informationen sofort verfügbar sind. Auch der lästige Papierkram entfällt, und Patienten müssen nicht mehr nach ihrem Impfausweis suchen oder sich an vergangene Behandlungen erinnern.
Bequemlichkeit und zentrale Speicherung
Die ePA wird mit der Gesundheitskarte (eGK) der Versicherten verknüpft und zentral auf Servern gespeichert. Dies ermöglicht einen schnellen Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Arztpraxen und Krankenhäusern. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Techniker Krankenkasse stehen 84 Prozent der Deutschen der Digitalisierung im Gesundheitswesen positiv gegenüber und sehen in der ePA große Vorteile.
Datenschutz und Missbrauchsgefahr
Doch trotz der vielen Vorteile gibt es auch erhebliche Bedenken. Gesundheitsdaten sind äußerst sensibel, und die zentrale Speicherung birgt das Risiko von Sicherheitslücken, Hackerangriffen und unbefugten Zugriffen. Kritiker warnen, dass selbst verschlüsselte und pseudonymisierte Datenlecks nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Besonders besorgniserregend ist die Möglichkeit, dass sensible Informationen über psychische Erkrankungen oder HIV-Infektionen zu Diskriminierungen führen könnten.
Europäischer Gesundheitsdatenraum
Ein weiterer Kritikpunkt ist die geplante Weitergabe der Daten an den European Health Data Space (EHDS). Ohne ein Opt-out könnten die Gesundheitsdaten der Versicherten für Forschungszwecke und die Pharmaindustrie genutzt werden. Obwohl die EU hohe Datenschutzstandards verspricht, bleibt die Sorge, dass die Kontrolle über die eigenen Daten verloren geht.
Der Widerspruch: So sagen Sie „Nein“
Wer keine elektronische Patientenakte möchte, kann der automatischen Erstellung widersprechen. Dies ist auf verschiedenen Wegen möglich: telefonisch, digital über die App oder den Online-Login der Krankenkasse oder direkt vor Ort in der Kundenberatung. Geht der Widerspruch ein, wird die ePA entweder nicht angelegt oder gelöscht, falls sie bereits angelegt wurde.
Opt-out statt Opt-in
Das Opt-out-Verfahren wurde eingeführt, nachdem beim Opt-in-Verfahren, bei dem die Versicherten aktiv zustimmen mussten, nur ein Prozent der Versicherten eine ePA gewählt hatten. Doch die Kritik bleibt: Viele Menschen könnten nicht ausreichend informiert sein und die Tragweite ihrer Entscheidung nicht absehen. IT-Sicherheitsexperte Günter Born warnt in seinem Blog eindringlich vor den Risiken und rät, sich intensiv mit der Möglichkeit des Opt-out auseinanderzusetzen.
Fazit: Chancen und Risiken abwägen
Die Einführung der elektronischen Patientenakte ist zweifellos ein bedeutender Schritt in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Sie bietet zahlreiche Vorteile, birgt aber auch erhebliche Risiken. Jeder Versicherte sollte sich gründlich informieren und abwägen, ob er die ePA nutzen möchte oder nicht. Der aktive Widerspruch ist eine Möglichkeit, die Kontrolle über die eigenen Gesundheitsdaten zu behalten und potenzielle Risiken zu minimieren.
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