Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stellt sich gegen von der Leyens EU-Pläne
Die jüngsten Entwicklungen in der EU-Politik versprechen Spannung und Konflikt. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beansprucht einen „Top Job“ in Brüssel und stellt sich damit gegen die Pläne von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Mitte-Lager um von der Leyen gerät nun unter erheblichen Druck.
Meloni fordert Mitsprache
Nach der Europawahl scheint die Frage, wer die Europäische Union in den nächsten fünf Jahren führen wird, komplizierter als erwartet. Die konservative EVP, die Sozialisten und die Liberalen haben sich noch nicht abschließend über die Besetzung der Spitzenposten geeinigt. Nun mischt sich auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ein.
Auslöser ist, dass Meloni von einem informellen Treffen einiger EU-Staats- und Regierungschefs ausgeschlossen wurde. Dort hatte man sich auf ein Trio von Spitzenkandidaten für die „Top Jobs“ in der EU geeinigt: Ursula von der Leyen (EVP) für die EU-Kommissionspräsidentschaft, António Costa (Sozialisten) für die EU-Ratspräsidentschaft und Kaja Kallas (Liberale) für das Amt der Außenbeauftragten. Der Deal kam jedoch nicht zustande, weil die konservative EVP neben der Kommissionspräsidentschaft auch die Ratspräsidentschaft beanspruchte, was Sozialisten und Liberale ablehnten.
Melonis Gegenangriff
Verärgert darüber, dass sie nicht Teil der Verhandlungen war, hat Meloni beschlossen, zum Gegenangriff überzugehen. Ihre rechte Fraktion EKR habe genug Sitze gewonnen, um die liberale Fraktion des französischen Präsidenten Emmanuel Macron als drittgrößte Fraktion im Europaparlament zu überholen. Damit stehe ihr nun ein Spitzenposten in der EU zu, so Meloni.
Traditionell geht der Posten des Kommissionspräsidenten an die stärkste Fraktion, die Ratspräsidentschaft und der Posten des Außenbeauftragten werden zwischen der zweit- und der drittstärksten Fraktion aufgeteilt. Melonis Fraktion verfügt nach den jüngsten Europawahlen über 83 Sitze, 14 mehr als in der letzten Legislaturperiode. Macrons Liberale hingegen haben 21 Sitze verloren und stellen nur noch 81 Abgeordnete.
Basar-Demokratie in Brüssel
Die Wahlen hätten den Schwerpunkt Europas nach rechts verschoben, so Meloni. „Ich fand es daher surreal, dass einige Vorschläge für die Besetzung der Spitzenposten gemacht wurden, ohne vorher über die Signale der Bürger und die Veränderung der Prioritäten nachzudenken“, kommentierte Meloni das Treffen vom Montag, an dem unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und Macron teilnahmen.
Sie sagte auch, dass sie für Italien „eine Rolle ersten Ranges“ in den europäischen Institutionen fordern werde. „Jeder weiß, welche Rolle Italien spielt. Wir haben heute die solideste Regierung von allen.“
Eine neue rechte Allianz?
Meloni arbeitet nun daran, „eine alternative Front zur Linken zu organisieren“, wie sie selbst sagt. Dazu verhandelt sie mit verschiedenen Parteien, darunter dem Rassemblement National aus Frankreich oder Fidesz aus Ungarn. Ministerpräsident Viktor Orbán hat bereits den Ton vorgegeben: „Das Ergebnis der Europawahlen ist eindeutig: Die rechten Parteien sind stärker geworden, die Linken und die Liberalen haben an Boden verloren“, so der ungarische Regierungschef. „Das werden wir uns nicht gefallen lassen! Wir werden die Kräfte der europäischen Rechten bündeln und gegen die einwanderungsfreundlichen und kriegslüsternen Bürokraten kämpfen.“
Sollten sich tatsächlich alle rechten Kräfte im Europaparlament zusammenschließen, könnte sogar die zweitstärkste Fraktion noch vor den Sozialisten entstehen.
Die politische Realität
EU-Diplomaten räumen gegenüber der Financial Times zwar ein, dass es „ein Fehler“ gewesen sei, Meloni von den Gesprächen über die Spitzenposten auszuschließen. Sie werde aber auch bei den nächsten Gesprächen über die drei wichtigsten EU-Jobs in der kommenden Woche keinen Platz am Verhandlungstisch bekommen. „Sie hat die Situation falsch eingeschätzt, denn die EKR ist nicht Teil der Regierungsmehrheit. Das ist die politische Realität.“
Um Meloni zu besänftigen, schlagen die EU-Diplomaten vor, Melonis EKR einen hochrangigen Kommissar-Posten zu geben. Ob die italienische Premierministerin so schnell einlenkt, ist fraglich. Das Mitte-Lager aus EVP, Sozialisten und Liberalen hat zwar zusammen 400 der 720 Sitze und damit die Mehrheit im Parlament. Doch eine Kommissionspräsidentin von der Leyen wäre in den kommenden fünf Jahren auch immer wieder auf die Stimmen der rechten Parteien angewiesen. Denn eine gemeinsame Mehrheit mit den Sozialisten zu bilden, dürfte nicht immer einfach sein, wie schon die letzte Legislaturperiode gezeigt hat.
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