Karl Lauterbachs umstrittenes „Gesundes-Herz-Gesetz“: Herztabletten für Kinder zur Vorbeugung
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat erneut für Aufsehen gesorgt. In der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause legte er seinen Entwurf zum sogenannten „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) vor. Der Entwurf sieht vor, dass bereits Kinder im frühesten Alter mit Herzmedikamenten behandelt werden sollen, um Herz-Kreislauferkrankungen vorzubeugen. Diese Erkrankungen sind in Deutschland nach wie vor die häufigste Todesursache und machen jährlich knapp die Hälfte aller Sterbefälle aus.
Staatsmedizin: Pillen statt Prävention
Der Entwurf von Lauterbach stößt auf massive Kritik. Experten verschiedener Fachdisziplinen haben das Papier bereits im Vorfeld zerrissen. Sie bemängeln, dass der Fokus auf die lebenslange Gabe von Medikamenten, insbesondere Statine zur Senkung des Cholesterinspiegels, gelegt wird, anstatt auf Prävention durch Aufklärung zu setzen.
In Deutschland gab es im vergangenen Jahr 110.000 Präventionskurse, die von rund 67.000 zertifizierten Anbietern durchgeführt und von 1,5 Millionen Teilnehmern in Anspruch genommen wurden. Für die Erstattung der Kosten stellte der Bund den Krankenkassen rund 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Ein Großteil dieses Geldes soll künftig in die Kassen der Pharma-Industrie fließen, falls sich Lauterbach mit seinem Entwurf durchsetzt.
Umverteilung zugunsten der Pharma-Industrie
Vertreter der Kassenverbände äußern deutliche Kritik an diesem Vorhaben. In einem offenen Brief heißt es: „Wenn aus diesem Budget nun auch Arzneimittel zur Cholesterinsenkung sowie erweiterte Leistungen der Gesundheitsuntersuchungen und ärztliche Honorare finanziert werden sollen, stehen für die Bekämpfung der lebensstilbedingten Ursachen nur noch wenige bis keine Mittel mehr zur Verfügung.“
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) stört sich insbesondere daran, dass die Behandlung bereits im frühesten Kindesalter beginnen soll. „Abzulehnen ist es, dass Ärztinnen und Ärzte breiten Bevölkerungsschichten Statine als Cholesterin- beziehungsweise Lipidsenker ziemlich unkritisch anbieten sollen, vor allem auch schon Kindern. Das sind sehr wirksame Medikamente, aber mit teils erheblichem Nebenwirkungspotenzial“, so die KBV-Vorstände Andreas Gassen, Stefan Hofmeister und Sybille Steiner.
Behandlung schon im Rahmen der U-Untersuchung für Kinder
Im Rahmen der Fachanhörung im Bundestag wurde deutlich, dass Kinder im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U9, also im Alter von 5 bis 6 Jahren, auf die seltene Erbkrankheit „Familiäre Hypercholesterinämie“ gescreent werden und dabei zur Vorbeugung möglicher Herzinfarkte auch Statine verschrieben bekommen sollen. Ursprünglich hätte dieses Screening bereits bei Neugeborenen im Rahmen der U1 (am ersten Lebenstag) erfolgen sollen. Damit konnte sich der Gesundheitsminister jedoch offenbar nicht durchsetzen.
Josef Hecken, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), warnt vor den Nebenwirkungen der Medikamente: „Es handelt sich dabei nicht um Pfefferminzbonbons aus dem Supermarkt. Vielmehr stehen diese Medikamente mit zahlreichen Neben- und Wechselwirkungen in Verbindung, etwa Muskelschmerzen, Leberschäden und Diabetes.“ Die Gabe von Statinen und ähnlichen Arzneimitteln sieht Hecken bei Kindern als „absolute Ausnahme, wenn aus medizinischer Sicht nichts anderes geht“.
Massive Kritik von Experten
Die Kritik an Lauterbachs Entwurf ist vernichtend. AOK-Chefin Carla Reimann bezeichnet den Gesetzesentwurf als „komplett missraten“ und fordert die Ampelregierung auf, ihn schnell zurückzuziehen. Die im GHG vorgesehenen Früherkennungsuntersuchungen bezeichnet sie als „sinnlos“. In den „detaillierten medizinischen Vorgaben für den breiten Einsatz von Statinen“ sieht Reimann eine „Staatsmedizin nach dem Rezept Pillen statt Prävention“.
Es bleibt abzuwarten, ob sich Lauterbach mit seinem umstrittenen Entwurf durchsetzen wird. Sicher ist jedoch, dass die Diskussion um die richtige Vorgehensweise zur Bekämpfung von Herz-Kreislauferkrankungen weitergehen wird.
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