Reallöhne in der EU 2023 gesunken: Eine kritische Betrachtung
Eine aktuelle Studie der Böckler-Stiftung zeigt, dass die Reallöhne in der Europäischen Union im Jahr 2023 trotz steigender Nominallöhne gesunken sind. Diese Entwicklung wirft ein beunruhigendes Licht auf die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer in der EU.
Reallohnverluste trotz Tarifplus
Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung stellt fest, dass die Reallöhne in zwölf der 27 EU-Staaten zurückgegangen sind. Im Durchschnitt betrug der Rückgang 0,6 Prozent. Diese Entwicklung ist besonders alarmierend, da sie trotz anziehender Nominallöhne und fallender Inflationsraten eingetreten ist. Im Vergleich zum Jahr 2022, in dem die Reallöhne um 4,2 Prozent eingebrochen waren, ist das Minus allerdings relativ gering.
Die Krise ist nicht überwunden
Für die Beschäftigten sei die Krise nicht überwunden, so das WSI. Sie hätten den Großteil der realen Einkommenseinbußen getragen, die mit dem Energiepreisschock infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine verbunden gewesen seien. Die Autoren der Studie betonen, dass die Lohnpolitik weiterhin vor der Aufgabe stehe, die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre zu korrigieren und zu einer gerechteren Lastenverteilung beizutragen.
Regionale Unterschiede in der EU
Die Reallohnverluste variieren stark zwischen den EU-Staaten. Während Deutschland einen moderaten Reallohnverlust von 0,3 Prozent verzeichnete, waren es in Tschechien 4,4 Prozent, in Malta 3,8 Prozent und in Italien 3,3 Prozent. Auf der anderen Seite gab es reale Lohnzuwächse in Ländern wie Rumänien und Belgien.
Ausblick und gesamtwirtschaftliche Bedeutung
Für das laufende Jahr zeichnen sich in fast der gesamten EU Reallohnzuwächse ab. Das WSI geht von einem durchschnittlichen Wachstum von 2,0 Prozent aus. Allerdings seien die Verluste der Vorjahre noch lange nicht ausgeglichen. Die Forschenden sehen weiterhin Aufholbedarf bei der Lohnentwicklung, auch weil die Verbraucherpreise sich dauerhaft erhöht hätten. Ein Wachstum der Löhne sei gesamtwirtschaftlich wichtig, um den privaten Konsum zu fördern und die Konjunktur zu stützen.
Deutschland: Ein Lichtblick?
Das Statistische Bundesamt meldet für Deutschland einen Anstieg der Reallöhne um 3,8 Prozent, das größte Plus seit 2008. Doch diese positive Entwicklung wird durch die hohe Inflation relativiert. Das mittlere Einkommen wuchs zwar um 5,1 Prozent, doch die Teuerungsrate lag bei 5,9 Prozent. Die Daten, die vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) abgefragt wurden, zeigen, dass die Deutschen deutlich ärmer geworden sind. Die Gewerkschaften versuchten, die Preissprünge mit hohen Tarifabschlüssen auszugleichen, doch unterm Strich bleibt in den Kassen der Haushalte ein Minus.
Politische und wirtschaftliche Implikationen
Diese Entwicklung wirft Fragen zur Effektivität der aktuellen Lohnpolitik und zur Rolle der Bundesregierung auf. Es scheint, als ob die Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise und der Inflation nicht ausreichen. Hier muss die Politik dringend nachbessern, um eine gerechtere Verteilung der Lasten zu gewährleisten und die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu stärken.
Insgesamt zeigt die Studie der Böckler-Stiftung, dass die wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmer in der EU weiterhin angespannt ist. Es bleibt abzuwarten, ob die prognostizierten Reallohnzuwächse im laufenden Jahr ausreichen werden, um die Verluste der vergangenen Jahre auszugleichen und die Konjunktur zu stützen.