Ukraine-Krieg: Eskalierender Streit um Bundeshaushalt – Kommt jetzt die Kriegsanleihe?
Der Haushaltsstreit in der Ampel-Koalition spitzt sich zu. Eigentlich sollte die Bundesregierung am 3. Juli den Etatplan 2025 vorlegen, doch das Datum ist nicht mehr zu halten. Der Grund: Der Staat muss einen fiskalpolitischen Spagat vollführen. Deutschland hat ein massives Rüstungsprogramm aufgelegt und ist Europas größter Finanzier der Ukraine. Allein im laufenden Haushalt sind 72 Milliarden Euro für das Militär vorgesehen. Doch das Geld über Kredite zu finanzieren ist keine Option, weil die Schuldenbremse die Neuverschuldung erheblich einschränkt. Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner sind sich einig: Der Bund soll mit dem vorhandenen Geld auskommen.
Unversöhnliche Standpunkte in der Koalition
„Die Koalitionäre stehen sich in der Grundsatzfrage der Schuldenbremse unversöhnlich gegenüber“, sagte der Ökonom Jens Südekum im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse dürfte vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Südekum, der auch Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums ist, führt aus, dass die Begründung, der Krieg in der Ukraine stelle für Deutschland eine unvorhergesehene Notsituation dar, mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn nicht mehr überzeugend sei.
Massive Kürzungen drohen
Fragt sich, wie die Mehrausgaben für das Militär dann finanziert werden sollen. Eine Insa-Umfrage zeigt, dass 40 Prozent der Befragten die Unterstützung der Ukraine als Einsparpotenzial sehen. Südekum hat eine düstere Vorahnung: „Bislang sieht es leider so aus, dass die Regierung mit den bestehenden Einnahmen haushalten will.“ Das bedeute, dass auf der Ausgabenseite gekürzt werden muss. „Wir werden sehen, was dann alles unter die Räder kommt. Seien es die Unterstützung für die Ukraine, Sozialleistungen oder Investitionen.“
SPD fordert Mitgliederentscheid
In der Koalition hat besonders die SPD noch Verhandlungsbedarf. Der linke Parteiflügel fordert einen Mitgliederentscheid. Aufrüstung auf Kosten von Sozialausgaben soll es nach dem Willen der Genossen nicht geben. Doch das Militär will bezahlt sein. Deutschland hat sich verpflichtet, das Nato-Ziel zu erfüllen und zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstungsvorhaben auszugeben. „Sobald das 100-Milliarden-Sondervermögen verbraucht ist, wird das Nato-Ziel auch aus dem Bundeshaushalt finanziert werden müssen. Wir sprechen hier über Mehrausgaben von rund 50 Milliarden Euro pro Jahr“, sagt Südekum.
Vorschläge zur Finanzierung
Ein aktueller Vorschlag kommt vom stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Achim Post. Auf deutschen Sparbüchern lagerten Hunderte Milliarden Euro – für einen Zinssatz gen null. „Diesen Sparern kann man ein Angebot machen, das Sicherheit und Rendite verbindet“, sagte Post dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zwar könne der Staat nicht acht oder neun Prozent Zinsen zahlen, aber ein staatlich abgesicherter Investitionsfonds könne eine anständige Rendite erwirtschaften. Der Fonds könnte für Infrastrukturmaßnahmen genutzt werden, sodass im Bundeshaushalt mehr Mittel für Waffen zur Verfügung stünden.
Historische Parallelen und mögliche Lösungen
Unter Wirtschaftshistorikern gilt es als ausgemacht, dass lange, kalte Kriege anhaltende Verteidigungsausgaben erfordern, die durch Steuern oder Sozialkürzungen gegenfinanziert werden. Ein Beispiel aus der Geschichte liefert Reichskanzler Otto von Bismarck, der im Zuge des Krieges gegen Österreich 1866 finanzielle Unterstützung von einem Zusammenschluss privater Berliner Banken erhielt. „Die Banken halfen dem preußischen Staat, Staatsanleihen aufzulegen und im Markt zu platzieren“, erklärt der politische Ökonom Steffen Murau.
Auch heute könnte eine Kriegsanleihe aufgelegt werden. „Der Staat könnte trotz Schuldenbremse etwa einen privatrechtlich strukturierten Fonds auflegen, der mehrheitlich in Bundesbesitz ist und Schulden ausgibt“, erläutert Murau. „Der Bund oder eine andere staatliche Institution könnte zudem die Schulden garantieren. Ähnlich ist das Konstrukt bei der Deutschen Bahn.“
Die Debatte, wie der Krieg und der Wiederaufbau der Ukraine bezahlt werden können, ist im vollen Gange. Es bleibt abzuwarten, welche Lösungen die Bundesregierung letztlich präsentieren wird. Eines ist jedoch klar: Die finanziellen Herausforderungen sind enorm und erfordern kreative Ansätze und möglicherweise unkonventionelle Maßnahmen.