Deutschland am Rande der Rezession: Ein Produktivitätsproblem ohne Lösung?
Deutschland, einst als Produktivitätsweltmeister bekannt, steht heute vor einem ernüchternden Szenario. Trotz fortschreitender technologischer Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz, Digitalisierung und Automatisierung stagniert die Stundenproduktivität. Was sind die Gründe für diese besorgniserregende Entwicklung und welche Maßnahmen könnten Abhilfe schaffen?
Technologischer Fortschritt ohne Produktivitätszuwächse
Obwohl Roboter mittlerweile Autos montieren und digitale Kommunikationstools wie Slack und Zoom den Arbeitsalltag erleichtern, bleibt der erhoffte Produktivitätsschub aus. Martin Werding, einer der sogenannten Wirtschaftsweisen, betonte auf einer Veranstaltung im Juni, dass die mittelfristigen Wachstumsaussichten auf einem historischen Tiefstand seien. Die Produktivitätszuwächse, die zur Jahrtausendwende noch bei knapp 1,0 Prozent des BIP lagen, sind bis 2024 auf lediglich 0,3 Prozent gesunken.
Warum Produktivitätswachstum entscheidend ist
Ohne Produktivitätssteigerungen wird die deutsche Wirtschaft nicht wachsen. Nach dem Modell des Nobelpreisträgers Robert Solow wächst die Wirtschaft, wenn die Produktionsfaktoren zunehmen. Dies bedeutet, dass entweder mehr Arbeitsstunden geleistet oder die Effizienz der bestehenden Arbeitsstunden durch Technologien erhöht werden muss. Da die Kapitalinvestitionen in Deutschland kaum steigen und die arbeitende Bevölkerung in den kommenden Jahren sogar sinken wird, bleibt die Steigerung der Produktivität der entscheidende Faktor für wirtschaftliches Wachstum.
Demografischer Wandel und Arbeitsmarkt
Ein weiteres Problem ist der demografische Wandel. Altersgemischte Teams, die aus erfahrenen und jungen Arbeitskräften bestehen, erweisen sich als besonders produktiv. Doch viele erfahrene Arbeitskräfte gehen vorzeitig in Rente, während es zunehmend schwerer wird, junge Fachkräfte zu finden. Dies führt zu einem Mangel an erfahrenen Arbeitskräften, die ihre Fähigkeiten nicht mehr produktiv einbringen können.
Investitionsschwäche und politische Rahmenbedingungen
Jan Mischke vom McKinsey Global Institute betont, dass es einfacher werden müsse, Beschäftigte in die produktivsten Rollen und Bereiche zu bringen. Der Fokus sollte auf der Unterstützung von Menschen bei der Fortbildung und der Suche nach neuen Arbeitsplätzen liegen, anstatt am Erhalt von Arbeitsplätzen, die langfristig nicht wettbewerbsfähig sind.
Die Investitionsschwäche in Deutschland ist ein weiteres Hindernis. Steigende Lohnnebenkosten und Unsicherheiten über die zukünftige Energieversorgung halten Investoren zurück. Professor Werding resümiert, dass die derzeitige Investitionsschwäche mehr als verständlich sei.
Fazit: Ein langer Weg zur Lösung
Die Stellschrauben, an denen gedreht werden müsste, um die Produktivität zu steigern, sind bekannt. Menschen und Maschinen müssen in den richtigen Jobs und Industrien eingesetzt werden, Arbeitnehmer benötigen eine gute Ausbildung und die politischen Rahmenbedingungen müssen Investitionen in Zukunftstechnologien attraktiv machen. Doch trotz dieses Wissens bleibt die Umsetzung schwierig. Über Produktivität zu reden ist leichter, als ein ganzes Land produktiver zu machen.