EZB senkt Leitzins erneut: Eine umstrittene Entscheidung
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat erneut den Leitzins gesenkt, um auf die abflauende Inflation im Euroraum zu reagieren. Der Einlagezins, den Banken erhalten, wenn sie Geld bei der Notenbank parken, wurde um 0,25 Prozentpunkte auf 3,5 Prozent gesenkt. Diese Entscheidung der EZB, die in Frankfurt am Main mitgeteilt wurde, lässt jedoch viele Fragen offen, wie es geldpolitisch weitergehen wird. EZB-Chefin Christine Lagarde betonte, dass der EZB-Rat sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad festlege.
Hauptrefinanzierungssatz sinkt ebenfalls
Zusätzlich zum Einlagezins wurde auch der Hauptrefinanzierungssatz, zu dem sich Banken Geld leihen können, um 0,6 Punkte auf 3,65 Prozent verringert. Diese Maßnahmen sollen positive Wachstumsimpulse setzen und die Kreditaufnahme für Unternehmen und Privatpersonen erleichtern. Allerdings müssen Sparer sich auf fallende Zinsen bei ihrer Bank und geringere Renditen bei Lebensversicherungen einstellen.
Kritische Stimmen und wirtschaftliche Prognosen
Die Zinssenkung wurde von vielen Analysten und Bankhäusern als vorsichtiger Schritt gelobt. Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts, bezeichnete die Zinssenkung als vertretbar angesichts der sinkenden Inflation und schwachen Konjunkturaussichten. Er warnte jedoch davor, sich zu sehr vorwagen, da weiterhin ein Inflationsrisiko bestehe. Fuest dämpfte zudem die Erwartungen auf einen wirtschaftlichen Schub durch die Zinssenkung, da diese bereits an den Märkten eingepreist sei.
Friedrich Heinemann vom ZEW-Institut betonte, dass die Zinssenkung zwangsläufig gewesen sei. Er verwies auf die schwache Wachstumsaussicht für Deutschland, die größte Volkswirtschaft der Eurozone, die sogar eine Rezession befürchten lasse. Heinemann rechnet damit, dass die Eurozone auf eine "harte Landung" bei ihrem Weg aus der Inflation zusteuere, im Gegensatz zu den USA.
Kritik von Gewerkschaftsseite
Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) äußerte sich kritisch zur Zinssenkung und hält sie für nicht weitreichend genug. EGB-Generalsekretärin Esther Lynch erklärte, dass die Senkung zwar ein Schritt in die richtige Richtung sei, jedoch nicht ausreiche, um den finanziellen Druck auf Arbeitnehmer zu verringern oder dringend benötigte Investitionen freizusetzen. Der EGB verwies auch auf den Draghi-Bericht, der davor warne, dass hohe Zinssätze die öffentliche Verschuldung untragbar machen und Investitionen in den grünen und digitalen Wandel negativ beeinflussen könnten.
Fazit: Ein umstrittener Schritt der EZB
Die erneute Leitzinssenkung der EZB ist ein umstrittener Schritt, der sowohl Zustimmung als auch Kritik hervorruft. Während einige Experten die Maßnahme als notwendig und vertretbar ansehen, warnen andere vor den begrenzten Auswirkungen auf die Konjunktur und den finanziellen Druck auf Sparer und Arbeitnehmer. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die EZB mit ihrer aktuellen Geldpolitik den richtigen Kurs eingeschlagen hat oder ob weitere Anpassungen notwendig werden.