EZB Senkt Zinsen: Ein Schritt in die richtige Richtung?
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat heute eine weitere Zinssenkung beschlossen, doch bleibt unklar, wie es in den kommenden Monaten weitergehen wird. In der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid wird sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde vermutlich nicht konkret zum Tempo und Ausmaß zukünftiger Zinssenkungen äußern, da die Inflation noch nicht vollständig unter Kontrolle ist.
Ein weiterer Zinsschritt
Nach einer ersten Zinssenkung im Juni und einer Pause im Juli, wurde der Einlagensatz am Donnerstag um einen Viertelpunkt auf 3,5 % gesenkt. Diese Entscheidung wurde von allen 68 von Bloomberg befragten Wirtschaftsexperten erwartet. Zusätzlich hat die EZB im Rahmen ihrer im März vorgestellten Neuausrichtung der Geldpolitik signalisiert, zwei weitere Zinssätze anzupassen, was jedoch kaum unmittelbare Auswirkungen haben dürfte.
Inflation und Wirtschaftserholung
Während die Inflation im Euroraum zurückgegangen ist und die wirtschaftliche Erholung in den 20 Ländern stottert, bleibt der Preisdruck, insbesondere im Dienstleistungssektor, bestehen. Die Löhne steigen rasch, was die EZB-Beamten veranlasst, vorsichtig zu agieren. Viele EZB-Mitglieder befürworten eine weitere Zinssenkung im September, doch es bleibt abzuwarten, ob dies tatsächlich umgesetzt wird.
Markterwartungen und Prognosen
Die Märkte spekulieren darauf, dass es 2024 mindestens einen weiteren Zinsschritt geben wird, vor allem da die Federal Reserve nächste Woche mit der Lockerung der US-Geldpolitik beginnen wird. Janet Henry, globale Chefvolkswirtin bei HSBC, sieht eine weitere Zinssenkung um 25 Basispunkte als nahezu sicher an, erwartet jedoch keine klare Orientierung für den künftigen Zinspfad.
Interne Uneinigkeiten
Innerhalb der EZB gibt es unterschiedliche Meinungen über den Kurs der Geldpolitik. Falken wie EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel und Bundesbankpräsident Joachim Nagel warnen vor einer zu schnellen Lockerung, bevor die Inflation eingedämmt ist. Andere befürchten, dass der restriktive Kurs der EZB die schwächelnde Wirtschaft mehr als nötig bremst.
Der neutrale Zinssatz
Die meisten Analysten prognostizieren eine Senkung der Zinsen im September und Dezember und halten dieses vierteljährliche Tempo bis zum Erreichen von 2,5 % in einem Jahr bei. Dies wird als der sogenannte neutrale Zinssatz angesehen, der die Wirtschaft weder bremst noch stimuliert.
Auswirkungen auf die Märkte
Die EZB wird auch ihre Hauptrefinanzierungs- und Spitzenrefinanzierungssätze um jeweils 60 Basispunkte senken. Dies ist Teil einer Überarbeitung ihres geldpolitischen Rahmens, die darauf abzielt, den Banken mehr Einfluss darauf zu geben, wie viel Geld sie für ihre Geschäftstätigkeit benötigen. Da die quantitative Straffung noch Jahre von ihrem Abschluss entfernt ist und das Finanzsystem immer noch reichlich mit Liquidität versorgt ist, dürften die unmittelbaren Auswirkungen auf die Märkte und die Wirtschaft gering sein.
Neue Prognosen und Risiken
Die jüngste Runde der vierteljährlichen Prognosen der EZB wird voraussichtlich nicht viel anders ausfallen als die letzte. Die EZB bleibt überzeugt, dass die Inflation Ende 2025 das 2%-Ziel erreicht. Allerdings besteht aufgrund der jüngsten Daten das Risiko einer leicht dovishen Ausrichtung der Kommunikation.
Wachstum vs. Preisstabilität
Einige Zentralbanker machen sich nun mehr Sorgen über das Wirtschaftswachstum, das nach einem Aufschwung in der ersten Jahreshälfte ins Stocken geraten ist. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im zweiten Quartal wurde von 0,3% auf 0,2% nach unten korrigiert. Die Falken betonen jedoch, dass das Mandat der EZB auf Preisstabilität und nicht auf Wachstum ausgerichtet ist.
Die Rolle der Löhne und Produktivität
Die Annahme, dass die Inflation im Jahr 2025 wieder auf 2 % einpendeln wird, beruht darauf, dass die Lohnerhöhungen gedämpft werden, die Unternehmensgewinne einen Teil der Lohnerhöhungen auffangen und die Produktivität steigt, um die Kosten pro Produktionseinheit zu senken. Die jüngsten Daten waren besser als im ersten Quartal, insbesondere der Anstieg des Arbeitnehmerentgelts je Arbeitnehmer fiel geringer aus als von der EZB erwartet.
Die Fed und ihre Auswirkungen
Der lang erwartete Beginn der Zinssenkungen in den USA könnte sich auch auf Europa auswirken. Eine Zinssenkung der Fed um 50 statt 25 Basispunkte könnte die EZB zu einer Senkung der Zinsen im Oktober veranlassen, insbesondere wenn der Euro gegenüber dem Dollar an Wert gewinnt.
Die EZB steht vor einer schwierigen Aufgabe: Sie muss die Balance zwischen der Bekämpfung der Inflation und der Unterstützung der Wirtschaft finden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Geldpolitik in den kommenden Monaten entwickeln wird.
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