Kanada verschärft Migrationspolitik: Zehntausende Akademiker vor der Abschiebung
In Kanada droht mindestens 70.000 internationalen Akademikern, vorwiegend Postgraduierten, die Abschiebung. Diese Kehrtwende in der Migrationspolitik trifft auch zehntausende Beschäftigte in Niedriglohnsektoren, trotz sinkender Geburtenrate und eines Arbeitskräftemangels. Die meisten von ihnen waren nach Kanada gekommen, nachdem die Regierung unter Premierminister Justin Trudeau nach Ende der Corona-Pandemie die Einwanderungsbestimmungen gelockert hatte.
Abschiebung internationaler Akademiker sorgt für zerbrochene Träume
Die von der Regierung verkündete Kehrtwende in der Migrationspolitik könnte dazu führen, dass ausländische Akademiker, deren Arbeitserlaubnis Ende des Jahres ausläuft, ihren Aufenthaltstitel verlieren. Viele von ihnen hatten hohe Studienkredite aufgenommen in der Hoffnung, im Anschluss an ihren akademischen Abschluss eine Daueraufenthaltsbewilligung zu erhalten. Dies war zuvor ein zwar nicht garantierter, aber üblicher Weg für internationale Studenten, nach Ende ihrer akademischen Ausbildung unmittelbar in Arbeitsverhältnisse einzutreten oder bestehende auszubauen.
Warum Kanada seine Migrationspolitik drastisch ändert
Mittlerweile hat das Kabinett in Ottawa jedoch die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, auf deren Grundlage mehrere Provinzen die Zahl ihrer jährlich vorgesehenen Daueraufenthaltsgenehmigungen um 25 Prozent gekürzt haben. Zudem gilt für mexikanische Arbeitskräfte wieder eine Visumpflicht. Zu den betroffenen Provinzen gehören unter anderem Prince Edward Island (PEI), Ontario, Manitoba und British Columbia.
Seit drei Monaten kommt es nun dort zu Protesten von Akademikern und Zeitarbeitern. Die Betroffenen erklären, sie hätten hohe Anfangsinvestitionen getätigt und Risiken auf sich genommen – und würden nun von der Regierung im Stich gelassen. Premier Trudeau begründete die Kehrtwende auf der Kabinettsklausur der Liberalen Partei damit, dass sich „die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Landes geändert“ hätten. Ausländische Arbeitskräfte seien unmittelbar nach der Corona-Pandemie aufgrund des herrschenden Mangels an Arbeitssuchenden unverzichtbar gewesen. Dies sei nun nicht mehr der Fall.
Proteste in mehreren Provinzen: „Wir fühlen uns verraten“
In den kommenden Monaten wird, wie „Toronto City News“ schreibt, „eine Rekordzahl von Ausländern mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung mit dem Auslaufen ihrer Arbeitserlaubnis konfrontiert sein“. Kanada ist zurzeit mit sinkenden Wachstumszahlen konfrontiert, nachdem das Ende von Corona kurzzeitig einen Schub ausgelöst hatte. Auch für die kommenden Jahre wird eine volatile Entwicklung auf niedrigem Niveau erwartet. In einigen Städten wird auch der Wohnraum knapp. Sprecher der Einwanderungsbewegung sehen sich dafür nun zum Sündenbock gestempelt.
Wirtschaftsexperten warnen vor negativen ökonomischen Folgen für Kanada
Jim Stanford, Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Centre for Future Work, erklärt dies mit politischen Fehlkalkulationen. Die Regierung in Ottawa habe ihre „Überreaktion“ auf Corona korrigiert, indem sie den Unternehmen erlaubt habe, nach der Pandemie massenhaft Niedriglohnarbeiter einzustellen. Daraufhin seien zahlreiche Wanderarbeiter gekommen, die schlecht bezahlte Jobs unter ausbeuterischen Bedingungen angenommen hätten. Die fehlende Bereitschaft der Regierung, die Bedingungen zu verbessern, und die fehlenden Möglichkeiten der Betroffenen, ihre Arbeitgeber zu wechseln, hätten dazu geführt, dass viele von ihnen sich nicht einmal mehr Lebensmittel leisten konnten.
Karl Blackburn, Präsident des Arbeitgeberverbandes von Quebec, übt Kritik an den neuen Restriktionen durch die kanadische Regierung. Der Arbeitskräftemangel in allen Verdienstgruppen bleibe bestehen. Unternehmen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor mussten demnach bereits große Verluste hinnehmen.
Moshe Lander, Dozent für Wirtschaftswissenschaften an der Concordia University, sieht in der restriktiven Politik ebenfalls ein Problem für die kanadische Wirtschaft. Er rechnet mit gebremster Produktivität und gebremstem Wachstum: „Es wird so dargestellt, als ob die Einwanderer das Problem wären, aber das ist nicht der Fall. Es sind die Gemeinden und die Provinzregierungen, die nicht genug getan haben, um ihnen zu helfen, sich schnell zu integrieren und die wertvolle Bereicherung zu sein, die sie für die kanadische Wirtschaft sind.“
Für Wohnungen und Infrastruktur zu sorgen, sei die Angelegenheit der politischen Entscheidungsträger, so Lander weiter. Die restriktive Migrationspolitik könnte langfristig negative Auswirkungen auf die kanadische Wirtschaft haben und die dringend benötigte Arbeitskraft weiter verknappen.
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