EZB vor entscheidender Zinsentscheidung: Droht das Scheitern an der Drei-Prozent-Hürde?
Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor einer kritischen Phase. Analysten und Investoren sind sich einig, dass ab Mitte September die Zinsen zügig sinken werden. Doch sobald die Drei-Prozent-Marke erreicht ist, könnte es für die Notenbanker schwierig werden. Die Frage, wie es danach weitergeht, bleibt offen.
Die erwartete Zinswende
Am kommenden Donnerstag trifft sich die EZB zur ersten Zinssitzung nach der Sommerpause. Die meisten Volkswirte, Investoren und Analysten erwarten, dass EZB-Chefin Christine Lagarde die im Juni eingeleitete Zinswende fortsetzen und den Leitzins in der Eurozone weiter senken wird. Dies würde die Finanzierungskosten in der Wirtschaft deutlich senken und Kredite für Häuslebauer, Firmen und Banken spürbar billiger machen.
Der Weg zur Drei-Prozent-Hürde
Der Trend zeigt weiter nach unten: Auch für die Sitzungen im Oktober oder Dezember werden weitere Zinssenkungen erwartet. Bis Ende des Jahres dürfte der Leitzins wieder bei etwa drei Prozent liegen, und nicht mehr bei 4,25 Prozent wie noch im Juni. Doch mit dem Erreichen dieser Schwelle stoßen die Zinsen im Euroraum auf eine kritische Marke. Ab hier endet der Konsens im EZB-Rat, dass die Zinsen nach zwei Jahren explodierender Inflation wieder sinken müssen.
Interne Spannungen und Unsicherheiten
Die EZB-Ratsmitglieder sind gespalten. Während die "Tauben" im EZB-Rat befürchten, dass die Wirtschaft ins Stottern geraten könnte, wenn nicht energisch genug gehandelt wird, sorgen sich die "Falken", dass eine zu lockere Geldpolitik die Inflation wieder anheizen könnte. Bundesbank-Chef Joachim Nagel betonte kürzlich, dass "eine rechtzeitige Rückkehr zur Preisstabilität nicht als selbstverständlich angesehen werden" könne und die Leitzinsen nicht zu schnell gesenkt werden dürften.
Die Herausforderung der Forward Guidance
Die EZB hält sich bislang alle Optionen offen und betont, dass sie abhängig von den Daten entscheiden wird. Diese Unsicherheit sorgt jedoch für Unruhe an den Finanzmärkten, die klare Signale bevorzugen. Normalerweise bieten die Währungshüter durch sogenannte "Forward Guidance" eine Orientierung, wohin die Reise geht. Doch diesmal lassen sie sich nicht in die Karten schauen, zumindest nicht, bevor die Zins-Schallmauer von drei Prozent durchbrochen ist.
Was steht auf dem Spiel?
Die EZB nähert sich einem gefährlichen Zeitpunkt, an dem sie von der Lösung zum Problem werden könnte. Eine zu zaghafte oder zu heftige Zinspolitik könnte die Wirtschaft entweder abwürgen oder überhitzen. Der richtige Zeitpunkt, an dem die Zinsen die Inflation nicht mehr dämpfen, sondern anheizen, lässt sich nicht objektiv feststellen und bleibt ein Stück weit Ansichtssache. Diese Unsicherheit liefert den Finanzmärkten derzeit das, was sie am meisten hassen: jede Menge Ungewissheit.
Es bleibt abzuwarten, ob die EZB die Balance halten kann oder an der Drei-Prozent-Hürde scheitern wird. Klar ist nur, dass die nächsten Entscheidungen von entscheidender Bedeutung für die Eurozone und ihre Wirtschaft sein werden.