Frankreichs Weg zur Energieautarkie: Was bedeutet das für Deutschland?
Die Partei Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen und Jordan Bardella plant eine fundamentale Neuausrichtung der französischen Energiepolitik. Ihr Ziel: Frankreich soll sich vom europäischen Strommarkt loslösen und ein autarkes Stromnetz aufbauen. Diese Entwicklung könnte gravierende Auswirkungen auf die deutsche Stromversorgung haben.
Autarkes Stromnetz und „französischer Strompreis“
Jordan Bardella, Spitzenkandidat der RN, erklärte, dass sich seine Partei von den europäischen Strompreisregularien lösen und einen „französischen Strompreis“ einführen wolle. Frankreich solle seine eigene Stromversorgung ausbauen und stabilisieren, wobei der Fokus auf Kernenergie, Wasserkraft und Erdgas liege. Alternative Energiequellen wie Windkraft und Photovoltaik sollen hingegen weniger gefördert werden.
Auch die Oppositionspartei Les Républicains (LR) unterstützt diesen Kurs. Éric Ciotti, Vorsitzender der LR, sagte: „Frankreich muss aus dem europäischen Energiemarkt aussteigen, um wieder eine autonome Stromproduktion und günstigere Strompreise zu garantieren.“
Gefahr für Europas Netzstabilität?
Die Pläne der RN stoßen jedoch auch auf Kritik. Catherine MacGregor, die Chefin des französischen Energieversorgers Engie, warnte: „Ohne einen europäischen Strommarkt würden wir uns noch stärkeren Preisschwankungen und sogar dem Risiko von Stromausfällen aussetzen.“ Das europäische Verbundsystem ermögliche es, Strom zu importieren und zu exportieren, um Versorgungslücken oder Überproduktionen auszugleichen.
Ein Beispiel für die Bedeutung dieses Systems war das Jahr 2022, als Frankreich aufgrund von Korrosionsschäden und Wartungsarbeiten an seinen Atommeilern auf Stromimporte angewiesen war. Frankreich betreibt derzeit 56 Druckwasserreaktoren an 18 Standorten und setzt überwiegend auf Kernenergie.
Implikationen für Deutschland
Ein Ausstieg Frankreichs aus dem europäischen Strommarkt könnte auch für Deutschland erhebliche Konsequenzen haben. Derzeit fließen regelmäßig rund 3,0 Gigawatt (GW) an Strom über die deutsch-französische Grenze. Zum Vergleich: Die letzten drei deutschen Kernkraftwerke, die im April 2023 abgeschaltet wurden, hatten eine Gesamtleistung von rund 4,2 GW.
Die deutschen Netzbetreiber gleichen bereits jetzt regelmäßig auftretende Stromlücken durch Importe aus Frankreich und anderen Nachbarländern aus. Ein Wegfall dieser Importe würde die Situation weiter verschärfen. Im April 2023 ist Deutschland vom Nettostromexporteur zum -importeur geworden.
Wirtschaftliche Bedenken
Die deutsche Wirtschaft zeigt sich besorgt über die möglichen Auswirkungen einer autarken französischen Energiepolitik. Patrick Brandmaier, Hauptgeschäftsführer der Deutsch-Französischen Industrie- und Handelskammer, warnte: „Starke Erhöhungen der Staatsausgaben, die Rücknahme von Reformen sowie eine wahrscheinliche Erhöhung der Steuern würden die Unternehmen nicht optimistisch stimmen.“
Deutschland sei der größte europäische Investor in Frankreich, und Frankreich der zweitwichtigste Exportmarkt für deutsche Unternehmen. „Weniger günstige Rahmenbedingungen und eine Konjunkturabschwächung in Frankreich würden daher auch die deutschen Unternehmen belasten“, so Brandmaier weiter.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Pläne der RN zur Energieautarkie Frankreichs weitreichende Auswirkungen auf die europäische Energiepolitik und die deutsche Wirtschaft haben könnten. Eine stabile und starke deutsch-französische Zusammenarbeit ist daher von größter Bedeutung für die Zukunft beider Länder.