Gewaltprävention in Kliniken: Selbstverteidigung für das Pflegepersonal
Die zunehmende Gewaltbereitschaft in deutschen Kliniken zwingt das Gesundheitssystem zum Handeln. Immer häufiger sind Ärzte und Pflegekräfte verbalen und körperlichen Übergriffen durch Patienten und deren Angehörige ausgesetzt. Um dieser bedrohlichen Entwicklung entgegenzuwirken, setzen viele Krankenhäuser auf Deeskalationstraining und Selbstverteidigungskurse für ihr Personal.
Deeskalationstraining im Klinikum Leverkusen
Ein Vorreiter in diesem Bereich ist das Klinikum Leverkusen, wo Chefarzt Marc Busche persönlich das Klinikpersonal schult. Busche, der seit über 30 Jahren im Kampfsport aktiv ist, demonstriert in realistischen Szenarien, wie man sich effektiv gegen Angriffe verteidigt. Dabei lernen die Mitarbeiter nicht nur, sich aus gefährlichen Situationen zu befreien, sondern auch, wie man Angreifer mit alltäglichen Gegenständen wie Arztkitteln oder Münzen ablenken kann.
„Sicherheitsdienste sind zwar sinnvoll, aber sie können nicht immer sofort eingreifen“, erklärt Busche. „Deshalb ist es wichtig, dass das Personal weiß, wie es sich in akuten Gefahrensituationen selbst schützen kann.“
Berliner Kliniken setzen auf regelmäßige Kurse
Auch in den Berliner DRK-Kliniken wird das Klinikpersonal regelmäßig in Selbstverteidigung geschult. Danièl Lautenschlag, Geschäftsführer und Gründer von Wortgefecht, einem Unternehmen, das sich auf körperliche Deeskalation spezialisiert hat, leitet diese Kurse. Lautenschlag betont, dass es höchste Zeit sei, den Mitarbeitern Werkzeuge an die Hand zu geben, um sich gegen Übergriffe zu wehren.
Umfrage zeigt alarmierende Zahlen
Eine Umfrage der Deutschen Krankenhausgesellschaft im April hat ergeben, dass 73 Prozent der Kliniken in den letzten fünf Jahren einen Anstieg der Übergriffe verzeichneten. Besonders betroffen ist der Pflegedienst, vor allem in Notaufnahmen. Als Hauptursachen für die Gewalt werden alkohol- oder schmerzbedingte Übergriffe, ein allgemeiner Respektverlust und krankheitsbedingtes Verhalten genannt. Lange Wartezeiten tragen ebenfalls zur Eskalation bei.
Spezielle Leitlinien und Präventionsmaßnahmen
Neben den Deeskalationstrainings setzen viele Krankenhäuser auch auf Zutrittskontrollen, Videoüberwachung und spezielle Leitlinien im Umgang mit aggressiven Patienten. In Nordrhein-Westfalen hat das Präventionsnetzwerk #sicherimDienst in Zusammenarbeit mit der lokalen Krankenhausgesellschaft einen Leitfaden zur Gewaltprävention veröffentlicht. Dieser Leitfaden soll den Kliniken helfen, bestehende Konzepte zu erweitern oder neue zu entwickeln.
Dr. Matthias Ernst, Vizepräsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, betont: „Für die Beschäftigten in unseren Krankenhäusern wird es zu einer wachsenden Belastung, dass die Zündschnur bei immer mehr Menschen offensichtlich kürzer wird.“
Die Maßnahmen zur Gewaltprävention sind ein wichtiger Schritt, um die Sicherheit und das Wohlbefinden des Klinikpersonals zu gewährleisten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Initiativen dazu beitragen, die Arbeitsbedingungen in deutschen Krankenhäusern nachhaltig zu verbessern.