Gold glänzt stärker als Tech-Aktien: Eine Analyse des aktuellen Marktgeschehens
Während die Aktien der Technologiekonzerne im ersten Halbjahr an den Börsen dominierten, hat sich eine andere Anlageform still und leise besser entwickelt: Gold. Der Preis für das Edelmetall hat in diesem Jahr einen Rekord nach dem anderen gebrochen und ist erstmals auf über 2500 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) gestiegen. Auch in Euro erreichte der Goldpreis mit 2286 Euro einen neuen Höchststand. Experten erwarten, dass der Aufwärtstrend noch weitergehen könnte.
Unerwarteter Anstieg trotz ungünstiger Rahmenbedingungen
Im Februar begann das große Rätseln unter Fachleuten: Der Goldpreis stieg kontinuierlich, obwohl das Umfeld eigentlich nicht günstig war. Hohe Zinsen, die normalerweise den Goldpreis drücken, waren in den USA und Europa stark gestiegen. Trotz dieser widrigen Umstände kletterte der Goldpreis ab Mitte Februar innerhalb von zwei Monaten um 20 Prozent. Im April markierte er mit knapp 2400 Dollar pro Feinunze einen Rekord, dem weitere folgten.
Die Rolle der Notenbanken und geopolitische Unsicherheiten
Ein wichtiger Faktor für den Anstieg waren die Notenbanken, insbesondere in China und Indien. Diese kauften große Mengen Gold, um ihre Abhängigkeit vom Dollar zu verringern. Diese Käufe begannen im großen Stil 2022, dem Jahr des russischen Angriffs auf die Ukraine. Angesichts der westlichen Sanktionen gegen Russland möchten andere Länder für ähnliche Konflikte gewappnet sein.
Ein weiterer großer Nachfrager waren reiche Privatleute, vor allem in Asien. Laut einer Untersuchung des World Gold Council trieb die Angst vor geopolitischen Risiken und ökonomischer Unsicherheit die Nachfrage. Insgesamt war die Nachfrage im zweiten Quartal so stark wie noch nie zuvor.
Gold bleibt ein sicherer Hafen
Obwohl sich die Zentralbanken aktuell mit Käufen zurückhalten, hat dies dem Goldpreis nicht geschadet. Geopolitische Spannungen im Nahen Osten und Spekulationen auf anstehende Zinssenkungen der US-Notenbank Fed geben dem Goldpreis Rückenwind. Die Aussicht auf Zinssenkungen in den USA macht Gold wieder attraktiver, da US-Staatsanleihen – ein Konkurrent als „sicherer Hafen“ – bereits jetzt deutlich weniger Rendite bringen als im Frühjahr.
Viele Fachleute sind der Meinung, dass der Trend anhalten könnte, da im September mit der ersten von mehreren Leitzinssenkungen in den USA gerechnet wird. Mehr Klarheit könnte der Chef der US-Notenbank, Jerome Powell, beim jährlichen Treffen der Notenbanker in Jackson Hole schaffen. Seine Worte zum Zinsausblick werden am Finanzmarkt genau beobachtet.
Technologieaktien im Vergleich
Während Gold seinem Ruf als robuste Geldanlage gerecht wurde, hatten Technologieaktien ein durchwachsenes Jahr. Der Nasdaq 100, der wichtigste Index der Technologieaktien, erlitt zwei Rückschläge – einen kleinen im April und einen größeren ab Mitte Juli. In den vergangenen sechs Monaten ist der Aktienindex um 12 Prozent gestiegen, der Goldpreis aber um 23 Prozent. Rechnet man ab Jahresbeginn, liegt Gold mit 21 Prozent vor dem Nasdaq mit 18 Prozent. In Euro gerechnet, ist der Vorsprung für Gold noch größer.
Prognosen für die Zukunft
Ob der Vorsprung von Gold hält, kann niemand vorhersagen. Die Prognosen für Gold sind verhalten optimistisch, da sich an den wichtigsten Parametern nichts zu ändern scheint: Der Zinstrend zeigt nach unten, der Konjunktur fehlen Impulse, und die politische Unsicherheit bleibt hoch. Die Commerzbank hat ihre Preisprognose für Mitte nächsten Jahres auf 2600 Dollar heraufgesetzt. Wayne Gordon, Rohstoffstratege bei der Schweizer Großbank UBS, erwartet im gleichen Zeitraum 2700 Dollar.
Im Gegensatz dazu bleibt die Zukunft der Technologieaktien unsicher. Während der Nasdaq 100 in den Jahren 2020 und 2021 die bessere Wette war, gilt die Anlage in Gold als Frage der Philosophie. Auch wenn einige Experten wie Chris Iggo vom Finanzkonzern Axa Gold nie besonders interessant fanden, können sie nicht bestreiten, dass die Anlage zuletzt funktioniert hat. Dies spricht zumindest für einen kleineren Anteil von Gold im Portfolio.