Österreich: FPÖ-Chef Kickl erhebt Anspruch auf Kanzleramt – Bundespräsident hält sich noch bedeckt
Knapp eine Woche nach der Nationalratswahl in Österreich hat FPÖ-Chef Herbert Kickl vor Medienvertretern seinen Anspruch auf den Kanzlerposten unterstrichen. Am Freitag führte er ein Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der sich erst nächste Woche äußern will. Kickl versprach, dass er fünf gute Jahre für Österreich gewährleisten könne, wenn er die Regierung anführen dürfe.
FPÖ beansprucht Führungsrolle
Herbert Kickl deutete das Wahlergebnis als Auftrag für eine neue, starke patriotische Kraft in der Regierung. Er betonte, dass die Wähler mit beeindruckender Klarheit Vertrauen und Misstrauen im Land neu verteilt hätten. Es habe ein Machtwort des Wählers gegeben, und viele Bürger seien konsterniert, geschockt und enttäuscht über das Bild, das andere Parteien am Wahlabend und danach abgegeben hätten.
Koalitionsaussichten und politische Spannungen
Die Parlamentsparteien SPÖ, NEOS und Grüne haben eine Zusammenarbeit mit der FPÖ ausgeschlossen, obwohl diese mit 28,8 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis erzielt hat. Die ÖVP, die über 400.000 Stimmen an die Freiheitlichen verlor, schließt zwar keine Zusammenarbeit mit der FPÖ aus, jedoch mit Kickl als Person. Bundeskanzler Karl Nehammer nannte als Grund dafür die „verschwörungstheoretischen“ Positionen, die Kickl vertritt, insbesondere seine Auffassungen zum Weltwirtschaftsforum (WEF) und zur Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Kickl selbst hofft, dass die Reaktionen der übrigen Parteien dem ersten Schock nach der Wahl geschuldet seien und setzt auf Einsicht und Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Er erklärte: „Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir suchen das Miteinander, um in einer sehr schwierigen Situation, die nicht wir verursacht haben, das Beste für die Bevölkerung zu erreichen.“
Gespräche mit dem Bundespräsidenten
Am Freitag hatte Kickl als erster Vertreter der im Nationalrat vertretenen Parteien nach der Nationalratswahl Bundespräsident Van der Bellen aufgesucht. Es habe ein „atmosphärisch angenehmes und offenes Gespräch“ gegeben, so Kickl. Obwohl sie oft unterschiedlicher Meinung seien, habe er immer offen und direkt mit dem Bundespräsidenten kommuniziert. Dieses Mal sei er jedoch als Sprachrohr von mehr als 1,4 Millionen Wählerinnen und Wählern in die Hofburg gekommen.
Kickl erläuterte dem Präsidenten seine Interpretation des Wahlergebnisses und betonte, dass eine künftige Regierung stabil sein müsse. Diese Stabilität sei nur gegeben, wenn zwei Parteien mit deutlichem Mandatsüberhang die Regierung bilden und es eine größtmögliche Übereinstimmung in den verschiedenen Themenfeldern gebe. Dies träfe im Fall der FPÖ nur mit Blick auf die ÖVP zu.
Weitere Gespräche und wirtschaftliche Herausforderungen
Details über das Gespräch mit dem Bundespräsidenten verriet Kickl nicht. Van der Bellen werde sich umgehend nach allen Gesprächen mit den Parteispitzen zu Wort melden. Der Präsident hatte angekündigt, mit allen Vorsitzenden sprechen zu wollen – mit der nötigen Ruhe und in der nötigen Tiefe.
Die künftige Bundesregierung in Österreich wird mit großen Problemen zu kämpfen haben. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute WIFO und IHS haben ihre Prognosen deutlich nach unten korrigiert und rechnen mit einem zweiten Rezessionsjahr in Folge. Das Budgetdefizit wird zwischen 3,5 und 3,7 Prozent liegen – 0,5 Prozentpunkte höher als ursprünglich prognostiziert. Rückläufige Geschäftsentwicklungen in der Industrie und am Bau sowie ein schwacher Konsum werden als Gründe genannt.
Der Bundespräsident ist frei in seiner Entscheidung, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Üblicherweise wird zuerst der Chef der stimmenstärksten Partei angesprochen. Allerdings kann der Präsident davon abweichen, wenn er den Eindruck gewinnt, ein anderer Kandidat habe bessere Aussichten auf die Bildung einer stabilen Regierung.
FPÖ und das Amt des Nationalratspräsidenten
Die FPÖ beansprucht auch das Amt des Nationalratspräsidenten. Der aussichtsreichste Kandidat, Norbert Hofer, erklärte jedoch, im Januar als Spitzenkandidat der burgenländischen FPÖ zur Landtagswahl anzutreten. Damit wird er den SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil herausfordern. Hofer äußerte, ihm sei „das Burgenland wichtiger“ und er werde 2028 nicht zur Bundespräsidentenwahl antreten.
Als mögliche Kandidaten der FPÖ für den Posten des Nationalratspräsidenten gelten nun unter anderem Ex-Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz oder die oberösterreichische Abgeordnete Susanne Fürst.
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