Steigende Kriegsdienstverweigerungen: Ein Alarmsignal für die Bundeswehr
Die Zahl der Kriegsdienstverweigerungen in Deutschland hat in den letzten Jahren einen besorgniserregenden Anstieg verzeichnet. Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag, ist die Anzahl der Anträge auf Kriegsdienstverweigerung (KDV) von 1.123 im Jahr 2022 auf 1.609 im Jahr 2023 gestiegen. Im laufenden Jahr 2024 wurden bis zum 31. August bereits 2.053 Anträge verzeichnet. Diese Entwicklung wirft Fragen zur aktuellen Strategie der Bundeswehr und zur Wehrpflicht-Debatte auf.
Wehrpflicht-Debatte: Vorsorgliche Verweigerungen nehmen zu
Ein Großteil der Anträge stammt von sogenannten "Ungedienten", also jungen Männern, die nie Wehrdienst geleistet haben. Diese Gruppe reichte 2023 insgesamt 835 Anträge ein, um im Falle einer Wiedereinsetzung der Wehrpflicht deutlich zu machen, dass sie für mögliche Kriegseinsätze nicht zur Verfügung stehen. Auch Reservistinnen und Reservisten haben ihre Anträge erhöht: 596 im Jahr 2023 im Vergleich zu 438 im Vorjahr. Bis Ende August 2024 gingen weitere 693 Anträge von dieser Gruppe ein.
Aktive Soldaten: Eine kleine, aber bedeutende Gruppe
Aktive Soldatinnen und Soldaten stellen die kleinste Gruppe der Kriegsdienstverweigerer dar, mit 178 Anträgen im Jahr 2023 und weiteren 92 Anträgen bis zum 31. August 2024. Dennoch verließen rund 25 Prozent der Freiwilligen während der sechsmonatigen Probezeit die Bundeswehr. Diese Zahlen werfen ein Schlaglicht auf die Herausforderungen, die die Bundeswehr bei der Rekrutierung und Bindung von Personal hat.
Hohe Anerkennungsquote bei langer Wartezeit
Die Anerkennungsquote für KDV-Anträge ist hoch: 2023 wurden über 87 Prozent der Anträge positiv entschieden, 2024 waren es bis Ende August 81 Prozent. Trotz einer Aufstockung des Personals im zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) dauern die Entscheidungen jedoch mehrere Monate. Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der "Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen" (DFG-VK), kritisiert diese langen Wartezeiten scharf.
Bundeswehr-Werbung: Abenteuerlust statt politischer Überzeugung
Die allgemeine Wehrpflicht für junge Männer wurde 2011 ausgesetzt, aber nicht abgeschafft. Sie kann jederzeit wieder eingesetzt werden, wenn ein Spannungs- oder Verteidigungsfall festgestellt wird. Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren verstärkt auf Werbung an Schulen und auf Veranstaltungen wie der Gamescom gesetzt, um Nachwuchs zu gewinnen. Antimilitaristische Gruppen werfen der Bundeswehr vor, auf die Abenteuerlust von Jugendlichen zu setzen, die auf eine echte kriegerische Eskalation nicht vorbereitet sind.
Merz: Wehrpflicht auch für Frauen?
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat angekündigt, im Fall seiner Wahl die Wehrpflicht beziehungsweise den verpflichtenden Ersatzdienst auf junge Frauen auszudehnen. "Dazu müssten wir das Grundgesetz ändern", sagte Merz kürzlich in einer ARD-Talkshow. In Artikel 12a des Grundgesetzes ist bisher nur die Rede von Männern, die zum Dienst verpflichtet werden können. Für Merz ist es jedoch "selbstverständlich", im Ernstfall auch Frauen einzubeziehen.
Die steigende Zahl der Kriegsdienstverweigerungen und die damit verbundenen gesellschaftlichen Debatten zeigen, dass die Bundeswehr und die deutsche Politik vor großen Herausforderungen stehen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklungen auf die zukünftige Wehrpflicht-Diskussion und die Rekrutierungsstrategien der Bundeswehr auswirken werden.