Ukraine: Blackrock will sein Geld zurück – Oligarchen profitieren von westlicher Hilfe
Die russische Invasion in der Ukraine geht bereits in das dritte Jahr. Nun droht der Ukraine auch noch das Geld auszugehen. In der vergangenen Woche sind erneut Gespräche der ukrainischen Regierung mit internationalen Investoren gescheitert, in denen Kiew um eine Verlängerung der Rückzahlungsfrist und einen teilweisen Schuldenerlass gebeten hat. Die Gespräche wurden zwischen dem 3. und 14. Juni hinter verschlossenen Türen geführt, wie das ukrainische Finanzministerium diese Woche mitteilte.
Der Ukraine geht das Geld aus – doch die Gläubiger bleiben hart
Die Anleihegläubiger haben seit 2022 keine Zahlungen mehr von der Ukraine erhalten. Mit dem Beginn der russischen Invasion hatten sie einem zweijährigen Moratorium zugestimmt. Aber nun drängt die Zeit, denn die Tilgungsfrist des Anleihepakets im Wert von 20 Milliarden US-Dollar endet am 1. August. Die Ukraine bittet die Anleihegläubiger – darunter der amerikanische Großinvestor Blackrock, der französische Fonds Amundi und der britische internationale Anleger Amia Capital – größere Verluste zu akzeptieren, da sie andernfalls ihre Ausgaben für das Militär und den Wiederaufbau des Landes empfindlich einschränken müsse. „Um Kriege zu gewinnen, müssen starke Armeen durch starke Volkswirtschaften gestützt werden“, sagte der ukrainische Finanzminister Sergii Marchenko.
Doch die Forderungen gehen den Investoren zu weit. In einer Erklärung teilte die Gläubigergruppe um Blackrock und Co. mit, dass sie sich um eine Einigung bemühe. Allerdings liege der von der ukrainischen Regierung vorgeschlagene Abschlag in Höhe von 60 Prozent deutlich über den Erwartungen des Finanzmarktes. Lediglich ein „Haircut“ (Schuldenschnitt) von rund 20 Prozent sei vertretbar. Der von Kiew vorgeschlagene Abschlag berge die Gefahr, dass das Vertrauen künftiger Investoren in der Ukraine „erheblichen Schaden“ nehme.
Ökonom: Westliche Hilfe begünstigt Oligarchen in der Ukraine
Um die Forderungen der internationalen Gläubiger erfüllen zu können, muss Kiew Privatisierungen von Staatsunternehmen vorantreiben. „Das Problem ist, dass die westliche Hilfe an ein drastisches Strukturanpassungsprogramm geknüpft wurde, das Sparmaßnahmen, Kürzungen der sozialen Sicherheitsnetze und die Privatisierung von Schlüsselsektoren der Wirtschaft umfasst“, sagt der Ökonom Frederic Mousseau vom amerikanischen Oakland Institute im Gespräch mit der Berliner Zeitung.
Das Herzstück sei dabei die Landreform von 2021, die den Ausverkauf des Landes eingeleitet habe. „Der Krieg in der Ukraine steht seit Februar im Mittelpunkt der außenpolitischen und medialen Berichterstattung 2022. Wenig Aufmerksamkeit wurde jedoch einer wichtigen Frage gewidmet, die im Mittelpunkt des Konflikts steht: Wer kontrolliert die landwirtschaftlichen Flächen in dem Land, das als ‚Kornkammer Europas‘ bekannt ist?“, heißt es in einer Studie des Oakland Institute mit dem Titel „Krieg und Diebstahl: Die Übernahme der landwirtschaftlichen Flächen der Ukraine“.
Ukraine im Ausverkauf: Erster LNG-Deal mit den USA, Staatseigentum wird privatisiert
Die Landreform war Teil des Strukturanpassungsprogramms unter der Schirmherrschaft westlicher Finanzinstitutionen, die die proeuropäische Regierung nach der sogenannten Maidan-Revolution im Jahr 2014 auf den Weg gebracht hatte, heißt es in der Studie. „Mit 33 Millionen Hektar Ackerland verfügt die Ukraine über große Teile des fruchtbarsten Ackerlandes der Welt.“ Doch fehlgeleitete Privatisierungen und korrupte Regierungsführung seit den frühen 1990er-Jahren hätten das Land in den Händen einer neuen oligarchischen Klasse konzentriert. Rund 4,3 Millionen Hektar werden demnach im großen Stil landwirtschaftlich genutzt, der Großteil aber, nämlich drei Millionen Hektar, befänden sich in den Händen von nur einem Dutzend großer Agrarunternehmen.
Von den Oligarchen kommt dem ukrainischen Staat und auch der Bevölkerung wenig zugute. Neun der zehn größten Landlords in der Ukraine sind der Studie zufolge im Ausland registriert, hauptsächlich in Offshore-Zentren wie Zypern oder Luxemburg. So entledigen sich die Landeigentümer lästiger Steuerzahlungen. Die Firmen sind zum größten Teil an der Börse notiert. Westliche Banken und Investmentfonds kontrollieren dadurch einen erheblichen Anteil ihrer Aktien.
Landlords parken ihr Geld in Steueroasen, Kleinbauern verarmen
Das Oakland Institute listet die bedeutendsten Investoren auf, die im ukrainischen Agrarsektor Fuß gefasst haben: Die Vanguard Group aus den USA ist nach Blackrock der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt, ebenfalls aus den Vereinigten Staaten sind Kopernik Global Investors und die zu Goldman Sachs gehörende NN Investment Partners mit an Bord. Aus Europa mischen die BNP Asset Management Holding aus Frankreich und die Norges Bank Investment Management, die Norwegens Staatsfonds verwaltet, mit. „Eine Reihe großer amerikanischer Pensionsfonds, Stiftungen und Universitätsfonds sind ebenfalls in ukrainisches Land investiert“, heißt es in der Studie.
„Diese internationale Finanzierung kommt direkt den Oligarchen zugute, von denen einige des Betrugs und der Korruption beschuldigt werden“, kritisiert das Oakland Institute. Die rund acht Millionen ukrainischen Kleinbauern müssten hingegen mit einer begrenzten Menge an Land und Finanzmitteln auskommen, viele stünden bereits am Rande der Armut.
„Die Kleinbauern werden dazu gedrängt, ihr Land an große Eigentümer zu verkaufen“, sagt Mousseau im Gespräch. „Das ist wiederum im Interesse der großen ausländischen Investoren.“ Viele der ukrainischen Kleinbauern und auch zahlreiche Wissenschaftler forderten bereits, dass die internationalen Institutionen wie der IWF und die EU, die diese Politik vorantreiben, einen Richtungswechsel vornähmen und nicht mehr die ukrainischen Oligarchen unterstützten, erläutert der Ökonom.
Doch wieso versprechen sich ausländische Investoren gute Geschäfte von ukrainischen Agrarbetrieben? Schließlich ist das Land auf noch unbestimmte Zeit im Krieg mit Russland. Die Anrainerstaaten protestieren gegen ukrainische Lebensmittelexporte in die EU.
„Für ausländische Investoren ist das Engagement sehr rentabel, da die Agrarunternehmen, an denen sie sich beteiligen, über großen Landbesitz verfügen und in der Lage sind, in großem Maßstab zu produzieren und zu exportieren“, erklärt Mousseau im Gespräch. Ein Beispiel ist der ukrainische Oligarch Jurij Kossjuk, der auch der Hühnchen-König genannt wird, der Chef des Agrarkonzerns Myronivsky Hliboproduct (MHP). Kossjuks Imperium besitzt 60 Prozent der ukrainischen Geflügelproduktion. Die MHP-Betriebe bewirtschaften nicht weniger als 300.000 Hektar Land in der Ukraine.
Weil ukrainische Landwirtschaftsprodukte den europäischen Markt fluten, kommt es zu Protesten. Im Frühjahr demonstrierten polnische Bauern gegen die ukrainischen Getreideeinfuhren, mit denen sie nicht konkurrieren können. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron attackierte sogar Kossjuk öffentlich auf einem EU-Gipfel im Februar 2024, weil die MHP-Hühnchen die Existenzen der französischen Bauern bedrohen: „Wir sind nicht daran interessiert, für diesen Mann Geld zu verdienen. Das ist nicht das Ziel, es hilft der Ukraine nicht“, sagte Macron und kritisierte damit die Zollfreiheit für ukrainische Exporte in die EU. Die Einfuhren von ukrainischem Geflügelfleisch in die EU sind nach EU-Angaben zwischen 2022 und 2023 um 47 Prozent gestiegen.
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