Viktor Orban kritisiert EU-Posten-Vergabe scharf: "Koalition der Lügen" und "Schande"
Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat scharfe Kritik an der vorläufigen Einigung auf die Verteilung der EU-Spitzenposten geäußert. Die Abmachung von Konservativen, Sozialisten und Liberalen, die unter anderem eine zweite Amtszeit von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorsieht, sei eine "Koalition der Lügen" und eine "Schande", schrieb Orban auf X. Der Europäischen Volkspartei (EVP), der CDU und CSU angehören, warf er vor, die Wählerinnen und Wähler zu täuschen.
Sechs Vertreter von Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen - darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron - hatten sich vorab geeinigt, von der Leyen für eine zweite Amtszeit an der Kommissionsspitze vorzuschlagen. Vorgesehen ist außerdem, dass der frühere portugiesische Regierungschef António Costa von den Sozialdemokraten neuer EU-Ratspräsident wird und die liberale estnische Regierungschefin Kaja Kallas neue Außenbeauftragte.
Orban: "Beschämende Vereinbarung"
Bei seiner Ankunft in Brüssel, wo heute und morgen ein EU-Gipfel stattfindet, äußerte Orban deutliche Worte: "Es gibt eine Vereinbarung, die ich als beschämend bezeichnen muss". Bei der Europawahl am 9. Juni hätten die meisten Wähler rechts gewählt und "wollen eine rechte europäische Führung". Die EVP habe sich aber den Linken angebiedert "und so die europäischen Wähler getäuscht". Es handle sich um "eine Parteienkoalition der Lüge und des Betrugs".
Der Ungar stellte klar, dass er das geplante Personalpaket nicht unterstützen wolle. Die Koalition der drei großen europäischen Parteienfamilien schaue weder auf die schlechte Performance der vergangenen fünf Jahre noch auf das Programm für die kommende Legislaturperiode. "Es geht nur um Machtteilung", so Orban. "Wir können das nicht unterstützen."
Keine Entscheidung ohne Meloni
Auch die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni hatte das Vorgehen bei den EU-Spitzenposten im Vorfeld des Gipfels scharf kritisiert und die Einigung als ein "Kamingespräch" einer kleinen Gruppe von Politikern bezeichnet. Mehrere Gipfelteilnehmer zeigten sich mit Blick auf Italien aber nachsichtig. Es werde "keine Entscheidung ohne Premierministerin Meloni" geben, sagte etwa Polens Regierungschef Donald Tusk. Auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer sprach sich dafür aus, Meloni "gut einzubinden".
Rechtsstaatlichkeit als Druckmittel
Insbesondere die Präsidentin der Kommission, die deutsche CDU-Politikerin von der Leyen, könne man nicht unterstützen, da das Instrument der Rechtsstaatlichkeit gegen Ungarn eingesetzt werde, so Orban. Bei dem Instrument geht es um die Einhaltung von EU-Recht. Die Europäische Kommission wirft Ungarn seit Jahren vor, EU-Standards und Grundwerte zu missachten, und hatte deswegen schon Fördermittel in Milliardenhöhe für das Land eingefroren. Auch gerichtlich ging die Kommission gegen Ungarn vor.
Die Kritik Orbans zeigt deutlich die Spannungen innerhalb der EU auf. Während konservative Politiker wie Orban und Meloni eine stärkere rechte Führung fordern, setzen die etablierten Parteien auf eine Fortführung der bisherigen Politik. Diese Konflikte könnten die EU in den kommenden Jahren weiter polarisieren und zu tiefgreifenden Veränderungen führen.
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