Unicredit und die Commerzbank: Ein Übernahmeversuch mit Hürden
Die europäische Bankenlandschaft steht vor einer möglichen Zäsur: Die italienische Unicredit hat im September überraschend einen Übernahmeversuch der deutschen Commerzbank gestartet. Dieser Schritt könnte die lang ersehnte Konsolidierung im europäischen Bankensektor einleiten. Doch die rechtlichen und strukturellen Hürden sind hoch.
Europas zersplitterte Bankenlandschaft
In Europa gibt es zu viele Banken, die aufgrund ihrer mangelnden Größe den Anschluss an die globale Konkurrenz verlieren. Grenzüberschreitende Fusionen könnten Abhilfe schaffen, werden jedoch durch zahlreiche rechtliche Vorgaben erschwert. Besonders die Bankengesetzgebung der Europäischen Union (EU) stellt eine große Hürde dar.
Richtlinien und Verordnungen
Ein wesentlicher Grund für die Schwierigkeiten bei grenzüberschreitenden Fusionen liegt in der Art und Weise, wie die EU ihre Vorgaben erlässt. Während Verordnungen direkt und ohne Spielraum in nationales Recht umgesetzt werden müssen, lassen Richtlinien den Mitgliedstaaten Spielraum. Dies führt zu nationalen Eigenheiten, die grenzüberschreitende Fusionen ineffizient und kostspielig machen.
Unvollendeter EU-Binnenmarkt
Die europäische Bankenunion, die nach der Finanzkrise angestrebt wurde, ist auch 15 Jahre später noch nicht vollendet. Die erste Säule, die gemeinsame Aufsicht über signifikante Institute, und die zweite Säule, die vereinheitlichte Bankenabwicklung, wurden zwar umgesetzt. Doch die dritte Säule, die gemeinsame europäische Einlagensicherung (Edis), fehlt nach wie vor.
Besonders der Widerstand aus Deutschland, vor allem von Sparkassen und genossenschaftlichen Banken, verhindert die Einrichtung dieser Säule. Diese Institute halten ihre eigenen Einlagensicherungssysteme für besser und umfangreicher und möchten ihre Gelder nicht in einem europäischen Topf vergemeinschaftet sehen.
Staatsanleihen als unsichere Sicherheit
Ein weiterer problematischer Faktor ist der Umgang mit Staatsanleihen. Diese gelten regulatorisch als sicher, weshalb Banken sie nicht mit Eigenkapital hinterlegen müssen. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch Staaten zahlungsunfähig werden können. Besonders deutsche und Schweizer Bankenaufseher kämpfen dafür, dass Finanzinstitute Staatsanleihen mit Eigenkapital hinterlegen müssen, stoßen jedoch auf Widerstand.
Die Herausforderungen der Übernahme
Bei einer Übernahme der Commerzbank durch Unicredit kommen neben betriebswirtschaftlichen und regulatorischen Fragen auch operationelle Probleme hinzu. Dazu zählen die Vereinheitlichung von Organisationsstrukturen und IT-Systemen sowie kulturelle Unterschiede und differierende Kundeninteressen. Besonders diese weichen Faktoren machen feindliche Übernahmen so schwierig.
Der Unicredit-Konzernchef Andrea Orcel hat daher allen Grund, bei der Annäherung an die Commerzbank nicht zu sehr mit der Brechstange vorzugehen, sondern nur sanften Druck auszuüben. In den vergangenen Wochen haben sich zahlreiche Regulatoren grundsätzlich positiv zu grenzüberschreitenden Fusionen geäußert.
Fazit
Die Übernahme der Commerzbank durch Unicredit könnte ein wichtiger Schritt in Richtung einer stärkeren europäischen Bankenlandschaft sein. Doch die rechtlichen und strukturellen Hürden sind hoch. Eine erfolgreiche Fusion würde nicht nur betriebswirtschaftliche Synergien schaffen, sondern auch die Weichen für eine effizientere und zukunftssichere Bankenunion stellen. Es bleibt abzuwarten, ob die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen diesen Schritt ermöglichen werden.
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